Muqarnas Nische, Inventarnr. I. 4109, Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Christian Krug

Eine Holznische auf dem Weg in die Zukunft

Ausbau mit Fingerspitzengefühl und Überraschungen

Eine ägyptische Holznische im Museum für Islamische Kunst

Im Rahmen der Sanierungsarbeiten am Pergamonmuseum wurde die Dauerausstellung des Museums für Islamische Kunst seit Ende 2023 schrittweise beräumt. Zunächst wurden kleinere Objekte sorgfältig verpackt und in externe Depots überführt. Seit dem Frühjahr 2024 werden nun auch größere Objekte nach und nach abgebaut.

Eines dieser Objekte, dessen Abbau und Transport besondere Herausforderungen mit sich brachte, ist eine reich verzierte Holznische aus Kairo – der heutigen Hauptstadt Ägyptens (Inventarnummer I. 4109). Doch bevor wir uns dem aufwendigen Transport widmen, werfen wir zunächst einen genaueren Blick auf das Objekt selbst.

170 Kilogramm Geschichte

Die Nische wird auf das 16. oder 17. Jahrhundert datiert und besteht aus geschnittener, geschnitzter und teilweise vergoldeter Aleppokiefer.

Mit ihren Maßen von etwa 180 × 95 × 50 cm bringt sie beeindruckende 170 Kilogramm auf die Waage.

Friedrich Sarre soll sie in Kairo erworben haben, doch der genaue historische Gebäudekontext ist unbekannt - vermutlich war sie Teil einer aufwendig gestalteten Decke in einem palastartigen Bau.







Nahaufnahme I. 4109 © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Franziska Kabelitz

Das Architekturelement Muqarnas

Sechs übereinander angeordnete Felder in Form von Stalaktiten verjüngen sich nach oben und münden in eine Halbkuppel, die aus sieben Segmenten besteht. Jedes Feld wird durch ein schmales, waagerechtes Band abgeschlossen, das vermutlich ursprünglich mit Einlegearbeiten versehen war – heute ist davon nur noch der schlichte hölzerne Untergrund erhalten.

Der Dekor aus stalaktitenartigen Bögen ist als Muqarnas bekannt – ein charakteristisches Architekturelement, das in zahlreichen Bauten islamisch geprägter Regionen zu finden ist. Muqarnas kommen nicht nur in monumentaler Architektur, sondern auch in kleineren Strukturen wie Wasserbecken zum Einsatz. Sie können aus verschiedenen Materialien gefertigt sein – beispielsweise aus Stein, Stuck, glasierter Baukeramik oder, wie in diesem Fall, aus Holz.

Neben ihrer ornamentalen Wirkung erfüllen Muqarnas oft auch eine funktionale Aufgabe: Sie ermöglichen den Übergang von einem rechteckigen Grundriss (mit 90°-Winkeln) zu einer kreisförmigen oder kuppelartigen Struktur.

Weitere Beispiele sowie strukturelle Analysen zu Muqarnas finden sich in diesem Film.

Beispiele weiterer Muqarnas-Objekte aus der Sammlung des Museums für Islamische Kunst

Von Kairo nach Berlin

Laut den Vermerken im Museumsarchiv gelangte die Holznische Anfang der 1920er Jahre als Schenkung aus der Sammlung Friedrich Sarres (1865–1945) in das Museum für Islamische Kunst. Sarre war der erste Direktor der Islamischen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums (heute Bode-Museum), die im frühen 20. Jahrhundert gegründet wurde. Viele Objekte aus seiner Privatsammlung waren bereits zuvor als Dauerleihgaben in der Abteilung ausgestellt, bevor er sie schließlich dem Museum schenkte.

Screenshot eines Ausschnitts aus dem Inventarbuch, Nachweiszeitraum der Zugänge 1921-1927 (Inventar I. 3401-I. 4900) © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst

Digitalisierte Inventarbücher

Die Sammlung des Museums für Islamische Kunst geht auf die Gründung der Islamischen Abteilung des damaligen Kaiser-Friedrich-Museums im Jahr 1904 zurück. Zwischen 1904 und 2014 wurden alle Neuzugänge in handschriftlich in Inventarbüchern erfasst. Seit 2014 erfolgt die Dokumentation digital in einer Datenbank. Die historischen Inventarbücher des Museums sind inzwischen digitalisiert und öffentlich zugänglich.

Doch die Holznische war nicht ausschließlich im Museum ausgestellt. Bereits 1910 gab Friedrich Sarre sie als Leihgabe an die Ausstellung Meisterwerke muhammedanischer Kunst in München. Im Ausstellungskatalog wurde die Nische als Mihrab, also als Gebetsnische, bezeichnet. Ob dies jedoch tatsächlich ihrem ursprünglichen historischen Kontext entspricht, ist nicht eindeutig belegt.

Abbau aus der Dauerausstellung

Im Jahr 2024 wurde die Holznische aus der Dauerausstellung des Museums für Islamische Kunst ausgebaut. Der Ausbau war notwendig, da das Pergamonmuseum im Zuge einer umfassenden Grundsanierung vollständig geräumt werden musste. Im Anschluss wird die Nische konservatorisch und restauratorisch untersucht – und bei Bedarf entsprechend behandelt.

Im April 2024 berichteten Martina Müller-Wiener, stellvertretende Direktorin des Museums für Islamische Kunst, und Jutta Maria Schwed, Restauratorin am selben Haus, über den Ausbau der Holznische:

„Im Rahmen unseres Umzugs wurde ein weiteres fragiles Großobjekt aus seiner über neunzigjährigen Einbausituation entnommen: die prächtig vergoldete und farbig bemalte Holznische. Trotz intensiver Vorplanungen und Untersuchungen ist es bei eingebauten Objekten häufig nicht möglich, einen Blick hinter die Konstruktion zu werfen – so hielt auch diese Nische einige Überraschungen bereit, und die ursprünglich geplanten Vorgehensweisen erwiesen sich zunächst als ungeeignet. Der Erhalt der äußerst empfindlichen Malschichten hatte oberste Priorität – ruckartige Bewegungen oder Erschütterungen hätten sie gefährden können. Erst mithilfe eines passgenau angefertigten Spezialgestells konnte das Restaurator:innen-Team LeTiKa die Nische millimeterweise herausziehen und in dem Gestell sichern. Anschließend wurde das gesamte Konstrukt vorsichtig mit einem Hochhubwagen und zusätzlicher Sicherung durch einen Flaschenzug vom Gerüst abgelassen. Für Erstaunen sorgte schließlich das tatsächliche Gewicht: Die Nische brachte ganze 170 Kilogramm auf die Waage – deutlich mehr als ursprünglich geschätzt. Nun war auch klar, warum sie sich so hartnäckig an ihrem Platz gehalten hatte.“

Abbau der Mamlukischen Holznische Credit: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Miriam Kühn

"Die Holznische befindet sich nun auf dem Weg in die Restaurierungswerkstatt, wo sie für die künftige Neuaufstellung konserviert wird. Transportiert wird das kostbare Objekt in einer speziell angefertigten Klimakiste – und die hat es in sich: Ganze 500 Kilogramm bringt sie auf die Waage. Warum so schwer? Die Klimakiste schützt die empfindliche Nische zuverlässig vor Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit während des Transports. Denn der Materialmix – Holz, farbige Fassung und Vergoldung – reagiert äußerst sensibel auf klimatische Veränderungen.

Eine 500-Kilo-Kiste in einen Aufzug hinein- und wieder hinauszubekommen, ist eine echte Herausforderung. Der Transport hat den ganzen Vormittag gedauert!", berichten Martina Müller-Wiener und Jutta Maria Schwed.

Abbau der Mamlukischen Holznische Credit: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Jutta Maria Schwed

Eine Nische mit Überraschung

Was eine C-14-Untersuchung enthüllt

Manchmal genügt ein winziges Holzstück, um große Fragen zu klären. So geschehen im Frühjahr 2025, als die prachtvoll vergoldete Holznische aus Kairo, die seit Jahrzehnten im Museum für Islamische Kunst ausgestellt ist, in die Restaurierungswerkstatt gebracht wurde. Bisher wurde sie stilistisch ins 14./15. Jahrhundert eingeordnet – doch wie alt war sie wirklich?

Am 20. Februar 2025 wurde ein kleines Bruchstück entnommen und an das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim geschickt. Dort wurde die Probe gründlich aufbereitet, mit Säuren behandelt, gebleicht, verbrannt und am Ende mit modernster Technik analysiert – alles im Namen der Wahrheit.

Das Ergebnis: Überraschend anders als gedacht! Die Radiokarbonanalyse datierte das Holz mit 95 % Wahrscheinlichkeit auf die Zeit zwischen 1508 und 1645. Damit gehört die Nische eindeutig ins 16. oder frühe 17. Jahrhundert – etwas jünger als ursprünglich angenommen, aber immer noch ein faszinierendes Stück Kunstgeschichte.

Diese Erkenntnis ist mehr als ein Detail: Sie hilft uns, das Objekt historisch besser einzuordnen – sei es in Bezug auf Baukunst, Stilentwicklung oder Materialverwendung, welche nun die Expert:innen im Museum genauer untersuchen müssen.

Probenentnahme C-14 Untersuchung, Holznische, I. 4109 Credit: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Jutta Maria Schwed

Die Holznische in der neuen Dauerausstellung

In der neuen Dauerausstellung des Museums, die 2027 eröffnet wird, ist die Holznische im „Kairo-Raum“ zu sehen. Anhand des konkreten Beispiels der Stadt Kairo thematisiert dieser Raum die materielle Kultur des östlichen Mittelmeerraums und Ägyptens zwischen dem 10. und 16. Jahrhundert. In diesem Zeitraum war Kairo die Hauptstadt verschiedener Reiche: Die Dynastien der Fatimiden, Ayyubiden und Mamluken regierten jeweils von hier aus. Schwerpunkte der Ausstellung sind die künstlerische Produktion sowie das kulturelle Leben unter der Herrschaft der Fatimiden (10. bis 12. Jahrhundert) und der Mamluken (13. bis frühes 16. Jahrhundert). Der heutige Weltkulturerbe-Status Kairos bietet zudem einen wichtigen Ansatzpunkt, um das Thema Kulturerhalt zu beleuchten.

Über die Autorin:

Franziska Kabelitz ist wissenschaftliche Museumsassistentin in fortgebildeter Funktion am Museum für Islamische Kunst in Berlin. Zuvor schloss sie ihr Masterstudium an der School of Oriental and African Studies in London mit dem Schwerpunkt islamische Kunstgeschichte ab.

Herzlichen Dank an Jutta Maria Schwed, Dr. Miriam Kühn, Farwah Rizvi und Cornelia Weber.

Weitere Geschichten zum Ab- und Aufbau der Dauerausstellung:

Abbau der Dauerausstellung

Ein Einblick in den Abbau der Dauerausstellung des Museums für Islamische Kunst.

Abbau der Alhambra-Kuppel

Die Kuppel der Alhambra wird in unserer künftigen Ausstellung im Nordflügel des Pergamonmuseums wieder aufgebaut. Lesen Sie hier mehr über den Abbau.

Abbau der Teppichausstellung

Ein Einblick in die Prozesse hinter dem Abbau der Teppichexponate im Museum für Islamische Kunst.

Abbau des Aleppo-Zimmers

In dieser Geschichte begleiten wir den Restaurierungsprozess des Aleppo-Zimmers, werfen einen Blick hinter die Kulissen seines Abbaus und verfolgen schließlich den Transport und Wiederaufbau im Nordflügel des Pergamonmuseums.